Perfektionismus – Auf die Situation kommt es an

Warum dein Perfektionismus deine größte Schwäche ist!

Silvia Follmann

Alles vorbereitet, alles perfekt? Nein, so kommt man nicht immer zum besten Ergebnis. (Quelle: Pexels)

Gerade im Job wollen viele alles möglichst perfekt machen. Aber ist das überhaupt eine gute Idee? Nun – es gibt gute Gründe dafür, dass dein Perfektionsdrang wirklich nicht deine größte Stärke ist.

Ich bin Perfektionist! Und das ist gar nicht gut so

Wenn ich etwas anpacke, dann mache ich es auch richtig. Sei es mein Job, mein Aussehen oder die Kinderplanung. Ach ja? Heute treibt uns in Sachen Lebensweg kaum etwas mehr um, als auch wirklich das Beste aus allem herauszuholen. Perfektionismus ist zum Volkssport mutiert. Und eigentlich ist das ja auch was Gutes, denn was sollte an einem perfekten Ergebnis falsch sein? Nun, was erst einmal gut klingt, wird nicht selten zur Stolperfalle. Denn wer alles so perfekt wie möglich machen will, kommt oft überhaupt nicht weiter, gerät maximal in Stress, produziert auch maximalen Stress für andere – nur um am Ende feststellen zu müssen: Das Leben ist nun mal so, dass selbst der beste Plan manchmal nicht aufgeht. Hätte man das also nicht einfacher haben können? Oh ja.

Aber auch und ganz besonders im Jobleben stehen sich Perfektionisten häufiger im Weg, als dass sie mit ihrer Eigenschaft wirklich weiterkommen. Denn gerade hier zählt häufig: Einfach mal machen. Das zwar nicht ohne Plan, aber auch nicht mit einem falsch verstandenen Perfektionsanspruch. Denn sonst kann man jedes Konzept kaputt reden und jede Strategie gleich x-Mal über den Haufen schmeißen. Am Ende ist es doch so: Nichts ist perfekt, was von Menschen gemacht ist. Und das muss es auch nicht. Wieso man sich also mit diesem Charakterzug wirklich dringend mal auseinandersetzen sollte, hat Kate Boogaard aus eigener Erfahrung als Perfektionistin für The Muse aufgeschrieben und wir haben uns die Argumente mal angesehen.

Warum der Drang zur Perfektion keine Stärke ist

1. Es hält dich zurück

Menschen, die zu Perfektionismus neigen, wollen am liebsten gar nichts tun, von dem sie nicht wissen, dass sie wirklich gut darin sind. Denn wer will sich schon abmühen, nur um dann hinterher mit einem mittelmäßigen Ergebnis dazustehen? Nun, mag ja sein, dass das nicht die angenehmste und befriedigendste Situation auf der Welt ist – aber sie gehört verdammt noch mal zum Leben dazu. Wer sich immer nur in seinem Sicherheitsrahmen bewegt, wird nie rausfinden, was da draußen noch alles wartet – und dazu gehören nicht nur Teilerfolge, sondern weitere Dinge, in denen man richtig gut ist und die vor allem auch Spaß machen und bereichern. Wer hier seine Grenzen zu früh zieht, wird weder beruflich noch als Person über sich hinauswachsen können.

2. Du legst deinen Fokus auf die falschen Dinge

Wer sich vor allem darauf konzentriert, seine Aufgaben perfekt zu erledigen, kann sich darin auch verlieren. Und das bedeutet dann: Statt noch einmal weiterzudenken oder auch umzudenken, wenn es nötig ist, verlieren sich Perfektionisten gerne mal in Details. Und das führt dann eben auch nicht zum perfekten Ergebnis, sondern eher dazu, dass man gar kein Ergebnis hat. Statt sich stundenlang mit der richtigen Schrift oder der richtigen Farb-Balance der Bilder zu beschäftigen, sollte man sich lieber auf das große Ganze konzentrieren und im Zweifel auch mal Kollegen oder Freunde mit ins Boot holen, die einem schnell und unkompliziert einen Rat geben können, der weiterbringt. Und wenn es nur ist, dass sie dir sagen: Halte dich doch nicht mit diesem unnötigen Kram auf!

3. Du nimmst dir nie die Zeit, deine Erfolge zu feiern

Dein liebster und häufigster Gedanke? Ist als Perfektionist mit Sicherheit: „Ja, das ist ganz gut, aber es hätte noch viel besser werden können.“ Und genau deshalb vergisst du auch immer, deine Erfolge zu feiern – denn warum sollte man etwas feiern, das man auch hätte besser machen können? Außerdem warten doch schon längst die nächsten Aufgaben, die schnell und mit Bravour gemeistert werden wollen. Das ist nicht nur traurig für dich, sondern auch für dein Team, das davon über kurz oder lang entmutigt wird. Außerdem kann diese Verhaltensweise ganz maßgeblich dazu beitragen, dass du dich irgendwann selbst überforderst. Hallo, Burnout!

4. Es macht dich häufig unerträglich

Was für jeden im Jobleben manchmal schwer erträglich ist: Menschen ticken einfach unterschiedlich. Doch was andere nur nervt, kann bei Perfektionisten schnell in eine Art Kontroll-Wahn ausarten – denn natürlich erwarten sie nicht nur von sich selbst die bestmögliche Performance, sondern auch von allen anderen. Und vergessen dabei gerne mal: Dass ihr Weg nicht der einzig richtige ist. Wer hier immer wieder versucht, sein Verhaltens-Korsett anderen überzustülpen, wird sich im Büro keine Freunde machen. Was nicht die beste Strategie ist: Denn ein möglichst perfektes Ergebnis braucht oft mehr als einen Kopf, der daran gearbeitet hat.

5. Du verbringst ein Leben voller Enttäuschungen

Man muss es einfach noch einmal sagen: Nichts ist wirklich perfekt. Und mit dieser Realität muss sich jeder mal auseinandersetzen. Aber nein, jetzt kommt nicht der Rat, dass man ab sofort alles nur noch halbherzig abhaken soll, sondern sich und anderen einfach mal kleine Fehler verzeihen sollte, ohne daran zu verzweifeln. Schafft man das nicht, wird die Konsequenz sein, ein Leben in Unzufriedenheit zu verbringen – und wie perfekt wäre das am Ende dann gewesen? Richtig, gar nicht.

Am Ende sei gesagt: Dinge richtig gut machen zu wollen, ist fraglos eine tolle Charaktereigenschaft. Aber alles immer perfekt hinzukriegen, ist schlicht nicht zu erreichen – und hält letztlich oft viel mehr auf, als dass es weiterbringt. Also verkauft das im Jobinterview auch nicht als eure „Schwäche“, um so mit besonderem Fleiß zu punkten – denn das ist erstens ein Uralt-Trick, den jeder Personaler durchschaut und lässt euch zweitens gar nicht so gut dastehen, wie ihr vielleicht erst dachtet.