Schwarm statt Wal

Brechen bei Daimler neue Zeiten an?

Daimler

In einem Interview der Wirtschaftswoche erklärt Daimler-Chef Zetsche, wie das Unternehmen sich (in Teilen) neu erfindet. Entscheidungsprozesse werden radikal in Frage gestellt, Hierarchien durchlässiger gemacht, Schwarmorganisation eingeführt. Und das, obwohl man zur Zeit besonders erfolgreich ist. Ungewöhnlich?
Zumindest mutig. Wenn es gut läuft, ist man vielleicht etwas entspannter und kann sich ohne Druck neuen Ideen widmen. Ich amüsiere mich ja immer wieder über die Managementtouristen, die ins Silicon-Valley pilgern, aber offenbar war das hier der Anstoß für einen spannenden Prozess. Man hat ein „Team“ aus 144 Mitarbeitern unterschiedlicher Ebenen zusammengestellt und Ideen von 1.000 Mitarbeitern gesichtet. Herausgekommen sind „Prototypen für die Kultur des Unternehmens im Jahre 2020“ mit vielen revolutionären Ideen.

Der Chef ist davon überzeugt, dass Daimler „bald ein grundlegend anderes Unternehmen“ sein wird. Es soll nur noch zwei Entscheidungsebenen geben, auch wenn man nicht gleich alle anderen Hierarchie-Ebenen abschafft. Offene Raumstrukturen, 360-Grad-Feedbacks, gestärkte Fachkompetenz lauten die Stichworte.

Ich kann mir den Prozess gut vorstellen, Ähnliches habe ich mehrfach selbst erlebt. Man fordert einen Kreis hoch motivierter junger Mitarbeiter aus, mal so richtig ihre Ideen auszuleben und dem Management zu präsentieren. Zetsche: „Die jungen Mitarbeiter, die die Ergebnisse präsentiert haben, waren sehr authentisch…. Zu sehen, was für ein Potenzial wir haben und wie es unsere Leute mitreißt, das war einfach fantastisch.

Glaube ich gerne. Die eigentliche Arbeit aber kommt noch. Ein Soziologe erklärt, dass Automobilkonzerne wie wenige andere Unternehmen eher an einen Wal als einen Schwarm erinnern, und aus einem Wal macht man wohl kaum einen Schwarm.

Was optimistisch stimmt: Als die jungen Mitarbeiter ihre Ergebnisse präsentierten, waren die Top-100-Führungskräfte laut Zetsche begeistert, „was in diesem Kreis nicht immer selbstverständlich ist.“ Wenn diese Begeisterung nicht gespielt war, dann darf man echt gespannt sein…