Haben Frauen die besseren Karten?
Noch muss in Deutschland für eine moderne Unternehmenskultur, in der Vielfalt gewollt ist und die flexible Lösungen bietet, viel getan werden. Wie können Frauen diesen Wandel mit gestalten?
Können Frauen entspannt in die Zukunft schauen?
Deutschland ist, wenn es um das Thema Arbeit geht, in vielen Punkten unterentwickelt. Das gilt nicht nur beim Thema weibliche Karrieren und Familie, sondern auch bei den Themen Führung, Gesundheit, Wissensmanagement und Innovationskultur. Wissen wir und ist gesellschaftlicher Konsens. Wie bauen wir nun Zukunft gerichtete Alternativen auf, anstatt Bestehendes zu bekämpfen?
Die Diskussion um die globale Digitalisierung der Arbeitswelt läuft seit Jahren heiß.
Als Zukunftstrends für die Arbeitswelt werden gemeinhin genannt:
– Digitale (R)evolution
– Demografischer Wandel
– Verschwimmende Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben
– Bedeutungsgewinn des Dienstleistungssektors
– Strukturelle Veränderungen (Coworking, Home Office, aufweichende Arbeitszeiten und Hierarchien, flexible alternative Beschäftigungsverhältnisse etc.)
– Weibliche Präsenz
– Diversity und Vielfaltsmanagement (Lebensphasen, kulturelle Hintergründe, Alter etc.)
Demnach können Frauen wirklich lässig in die Zukunft schauen. Denn zur Bewältigung all dieser Trends im Alltag sind sie hervorragend aufgestellt. Soziale Kompetenzen, Flexibilität, Überblick in Komplexität – all diese Kompetenzen werden Frauen von jeher nach gesagt.
Frauen und berufliche Chancen: Alles nur Kopfsache?
Was wäre also, wenn all die vielbeschriebenen Hürden nur in den Köpfen existierten?
Um das zu klären, sollte man darauf schauen, wie es um den Zukunftstrend „Die Arbeitswelt wird weiblicher“ heute wirklich bestellt ist. Schon heute stellen Frauen die Mehrheit von Schul- und Hochschulabsolventen und erzielen hierbei zudem noch bessere Noten. Trotzdem: Stand heute sind nur 37 der 663 Vorstände in den Dax-, S-Dax-, M-Dax, und Tec-Dax-Unternehmen weiblich. Das entspricht einer Frauenquote von gerade einmal 5,6 Prozent.
Auch die klassischen Männer- und Frauenberufe bestehen weiter. Denn ändert man die Blickrichtung weg von reinen Vorstandsfunktionen hin zum mittleren Management, so sieht man deutlich mehr Frauen, allerdings oft in den typischen Funktionen und immer noch mindestens 21 Prozent unter dem Gehalt der männlichen Mitarbeiter in vergleichbarer Position.
Welche Chancen bietet die Tech-Branche den Frauen?
Werfen wir einen Blick in die Technologiebranche, die global Vorreiter der Digitalisierung ist. Nach Angaben des Branchenverbands Bitkom beträgt der Frauenanteil hier in Deutschland 15 Prozent. Weltweit sieht es nur geringfügig anders aus.
Um Mitarbeiterinnen anzuwerben und zu binden, bezahlen Facebook und Apple das Einfrieren von Eizellen und IBM übernimmt den Transport abgepumpter Muttermilch zum Nachwuchs, wenn die Mutter verhindert ist. Zwar gibt es in einigen Chefetagen prominente Frauen wie Sheryl Sandberg (Facebook), Marissa Mayer (Yahoo) oder Susan Wojcicki (YouTube) doch das Silicon Valley ist nach wie vor ebenfalls eine Domäne weißer Männer.
Auch in der hiesigen Tech-Branche gibt es Frauen in exponierter Stellung: Martina Koederitz lenkt seit vier Jahren die Geschäfte von IBM in Deutschland. Und kürzlich wurde bekannt, dass mit Sabine Bendiek 2016 erstmals eine Frau an der Spitze von Microsoft Deutschland stehen wird. Sie war bislang beim Speicher-Spezialisten EMC tätig.
Ich schätze Frau Bendiek, ein aktuelles Zitat machte mich dennoch im Zusammenhang mit der Arbeitswelt der Zukunft stutzig: „Natürlich muss man getrieben sein und gute Arbeit leisten“, sagte sie in einem Interview der „Computerwoche“. „Aber man sollte nicht versuchen, perfekt zu sein. Das bringt Sie um. Ansonsten einfach: Keine Angst haben und sich etwas zutrauen.“
Müssen Frauen immer noch mehr beweisen als die Männer?
Alles richtig – interessant ist allerdings der Hinweis auf den so oft zitierten (und unterstellten) weiblichen Perfektionismus, der aus dem alten Muster rührt, dass Frauen in der Wirtschaft drei Mal so gut sein müssen wie Männer, um in gestaltenden Positionen anzukommen.
Interessant, wie tief verwurzelt diese tradierten Annahmen über Männer und Frauen in allen Köpfen sind. Das psychologische Phänomen dahinter nennt sich Unconscious Bias und beschreibt unbewusste Vorurteile, Stereotype und Wahrnehmungsmuster, die im Zusammenspiel von Beobachtung, Interpretation und Bewertung, absolut unbewusst unsere Annahmen und Entscheidungen beeinflussen. Für uns alle gilt: Rationalität ist psychologisch eine Illusion und das schließt eben auch Recruiter, HRler, Manager, Aufsichtsräte, Frauen auf dem Karrierepfad mit ein.
Verhindern unbewusste Muster die Karriere?
Groß denken, sich viel zutrauen, mutig handeln – auf diesen Nenner kann ich meine eigene Strategie für eine Karriere in der Wirtschaft bringen. Und viele Unternehmerinnen, gerade in der Startup-Szene, handeln exakt so und prägen damit eine neue gesellschaftliche Blaupause.
Dennoch, in der gesellschaftlichen Debatte herrschen viele Bilder und verfestigte Annahmen vor: Die altbekannten Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die gläserne Decke auf dem Karrierepfad, geschlossene männliche Zirkel der Macht, Quoten Bedarf, unterschiedliche Führungsstile und so weiter uns so fort. Dazu kommt, dass in der Geschäftswelt kaum weibliche Rollenvorbilder in Führungspositionen präsent sind – das schließt übrigens auch Migranten und Menschen, die offen mit ihrer Homosexualität umgehen, mit ein. Das beeinflusst seit Jahrzehnten unsere Vorstellung von der Welt – und es verfestigen sich unbewusst bestimmte Einstellungen.
Die Hürden des gesellschaftlichen Unconscious Bias
Ich persönlich habe erlebt, dass viele der erwähnten Hürden eher im gesellschaftlichen Konsens, dem gesellschaftlichen Unconscious Bias bestehen und in der Realität doch gut zu ignorieren sind.
Eine echte Erneuerung der Wirtschaft mit und durch Frauen erreichen wir erst, wenn die kritische Masse an Rollenvorbildern zur Verfügung steht. Wie oben festgestellt, erweitern die Trends zur Zukunft der Arbeit die Möglichkeiten von Frauen in der Wirtschaft meiner Meinung nach deutlich.
Und so ändern wir die unbewussten Annahmen, die Realitäten gestalten, Stück für Stück.