Von Bertrand Piccard – Initiator, Chairman and Pilot of Solar Impulse, United Nations …
Die Städte der Zukunft werden gross sein, denn nichts kann ihre Ausdehnung stoppen. Aber sie könnten sauber sein, wenn wir uns schnell genug bewusst werden, dass Energieeffizienz ein neuer Weltmarkt, eine neue industrielle Revolution ist, die eine nachhaltige Entwicklung und ein bedeutsames Wirtschaftswachstum mit sich bringen kann.
Um zu verstehen, dass eine Wachstumsrücknahme unmöglich ist, braucht es nur einen Blick auf die tausenden von Wolkenkratzern mit über 50 Stöcken, die in den Schwellenländern aus dem Boden gestampft werden. Nichts kann die Ausdehnung der tentakelartigen Städte mehr aufhalten, nicht einmal das Bewusstsein, dass wir unseren Planeten und uns Menschen einem grossen Risiko aussetzen.
Die Welt befindet sich in der stärksten Phase städtischer Entwicklung je. Beinahe die Hälfte der Weltbevölkerung, sprich 3,5 Milliarden Menschen, leben heute in Städten und bis 2050 werden es doppelt so viele sein. Obwohl Städte heute 2 % der gesamten Landmasse der Erde ausmachen, sind sie ebenfalls verantwortlich für:
- 70 % der Treibhausgasemissionen
- 70 % des Gesamtabfalls
- mehr als 60 % des weltweiten Energieverbrauchs
- 70 % der Weltwirtschaft (BIP)
Aber das Bewusstsein über den langfristigen Klimawandel und den Raubbau an den natürlichen Ressourcen wird von einer viel dringenderen Gefahr übertrumpft: Soziale Unruhen drohen, wenn die Regierungen die nötige Infrastruktur nicht aufstellen können, um die Bevölkerung schnell genug aus der Armut zu holen.
Nirgendwo ist die Ungleichheit klarer ersichtlich als in Städten, wo wohlhabende und arme Viertel Häuserzeile an Häuserzeile grenzen. Die wachsenden Ansprüche und die steigende Kaufkraft der Städtebewohner bedeutet nicht nur mehr Druck auf unser Land, Wasser und unser Klima, sondern kontrastieren auch harsch mit konzentrierter Armut.
Was überraschend erscheinen kann, ist, dass die Landflucht in den meisten Ländern den Wohlstand erhöht. Dabei ist zu bemerken, dass Einwanderer in Städten die soziale Leiter in nur zwei Generationen hochklettern können. Allerdings bedeutet dies für die Regierungen und lokalen Behörden mehr Engagement, was die Infrastruktur angeht, wie beispielsweise der Bau Millionen von Wohnungen.
Die Herausforderung liegt darin, die Art und Weise, wie diese Wohnungen gebaut werden, zu ändern. Die Wolkenkratzer könnten mit deutlich besseren Isolationsmaterialien, smarten Stromspeichern und -managementsysemen und effizienten Beleuchtungs-, Heiz- und Kühlsystemen gebaut werden, was es ermöglichen würde, bis zu 80 % des Stromverbrauchs zu reduzieren und den fehlenden Teil dank erneuerbaren Ressourcen selbst zu produzieren.
Dies gilt für Neubauten, aber auch vorhandene Gebäude könnten mit den gleichen modernen sauberen Technologien profitabel renoviert werden, wodurch Millionen zusätzliche Stellen geschaffen würden.
Daraus folgt, dass während traditionelle Stadtentwicklungsmodelle zu Dichtestress, Zersiedelung und ineffizienter Ressourcennutzung führen, sorgfältig geplante Städte mit effizientem Wachstum eine bessere Lebensqualität für die Bewohner bringen.
Die Realität ist heute so, dass Städte als Katalysatoren für Veränderung und Entwicklung das Potential haben, eine neue Ära des Wohlstands, Ressourceneffizienz und Wirtschaftswachstum hervorzubringen.
Deshalb müssen wir die Art und Weise ändern, wie wir über Entwicklungsprobleme sprechen. Dies bedeutet, dass wir ändern müssen, mit welchen Worten wir Umweltprobleme beschreiben und diskutieren. Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, wie das Städtewachstum, können nur erfolgreich gemeistert werden, wenn sie statt von einem „logischen“ Standpunkt aus, von einem „öko-logischen“ Standpunkt aus angegangen werden.
Sprechen wir also lieber über vorhandene Lösungen als über ungreifbare Probleme. Um von Worten zu Massnahmen zu gehen, müssen wir unsere Führungspersonen dazu anhalten, ein rechtliches Rahmenwerk zu schaffen, das neue konkrete Lösungen fördert, indem alte, ineffiziente Systeme mit modernen sauberen Technologien ersetzt werden. Andernfalls wird nichts geschehen, denn alte Gewohnheiten und Gedankengänge sind einfacher zu bewahren.
Zum Glück gibt es positivere und lösungsorientierte Stimmen in den globalen Foren. Habitat III in Quito ist der erste UN-Gipfel bezüglich Stadtentwicklung seit der Annahme der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.
Während die Konferenz eine einzigartige Chance bietet, die wichtigen Herausforderungen zu diskutieren, wie die Stadtentwicklung die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele und das in Paris unterzeichnete Abkommen über den Klimawandel beeinflussen kann, wird ebenfalls die Annahme einer Neuen Stadtagenda als Roadmap für die nächsten 20 Jahre vorgeschlagen.
In allen Belangen der nachhaltigen Entwicklung finden wir Städte, also lokale Behörden, die als Beispiel vorangehen und bei den Treibhausgasemissionen ehrgeizigere Ziele stecken als ihre Regierungen. Ein Beispiel ist die C40 Initiative, die jetzt schon zehn Jahre existiert. Sie verbindet über 80 der weltweit grössten Städte und repräsentiert mehr als 600 Millionen Menschen und einen Viertel der Weltwirtschaft.
Unterstützen wir diesen neuen Impetus und unterstreichen wir die Vorteile, die Energieeffizienz bringen kann, statt dass wir immer wieder die Kosten für den Umweltschutz nennen. Dann können wir Investoren anlocken, die Profit suchen, statt nur die resignierten Spender mit ins Boot zu kriegen.
Zeigen wir, dass ein Übergang zu sauberen Technologien unserer eigenen Generation dient, nicht nur kommenden Generationen, und zwar bei jedem Glied der Kette von Herstellern bis Konsumenten und den Politikern, die sie unterstützt haben.
Die Städte der Zukunft werden gross sein, denn nichts kann ihre Ausdehnung stoppen. Aber sie könnten sauber sein, wenn wir uns schnell genug bewusst werden, dass Energieeffizienz ein neuer Weltmarkt, eine neue industrielle Revolution ist, die eine nachhaltige Entwicklung und ein bedeutsames Wirtschaftswachstum mit sich bringen kann.
Bertrand Piccard
Initiator, Präsident und Pilot von Solar Impulse.